«Ich kämpfe für meine Ziele.» 

Nebst einem Praktikum als Pflegehelfer engagiert sich Marcel in der Suchtprävention. Er ist ein Sunedörfli-Bewohner.

«Das Sunedörfli ist für mich weit mehr als nur eine Bleibe. Es ist in den letzten zwei Jahren zu meiner neuen Heimat geworden. Was mich hier besonders anspricht, ist das respektvolle und freundliche Miteinander. Ich fühle mich wertgeschätzt und erhalte Unterstützung, die weit über das Übliche hinausgeht.

Das Sunedörfli-Team behandelt uns Bewohner wie eine Familie, hilft mir bei behördlichen Angelegenheiten und begleitet mich bei meinen Herausforderungen im Alltag. Selbst bei Rückschlägen werde ich nicht fallengelassen, sondern bekomme die Hilfe, die ich brauche, um meinen Weg wieder zu finden.

Die festgelegte Tagesstruktur mit vielfältigen Aktivitäten gibt mir Halt. Meistens startet der Tag mit einem zwanzig- bis dreissigminütigen Morgenlauf an der Sihl, zu dem alle Bewohner eingeladen sind. Anschliessend besprechen wir in einer Gruppensitzung die Aufgaben des Tages. Zur Auswahl stehen Hauswirtschaft, Küche oder Schreinerei. Aber auch unsere 23 Hühner wollen betreut werden. Am liebsten helfe ich in der Küche. Einmal pro Woche erstellen wir den Speiseplan. Die Menüs treffen jeden Geschmack und reichen von Eintöpfen über Reis mit Poulet bis zu Paella.

Nicht immer kann ich an allen Aktivitäten teilnehmen, da ich berufstätig bin. Zurzeit mache ich ein Praktikum im Teilzeitpensum als Pflegehelfer in einem Alterszentrum. Ab August werde ich zudem einen vierwöchigen Pflegehelferkurs beim Schweizerischen Roten Kreuz absolvieren. Die abschliessende Zertifizierung eröffnet mir vielversprechende Perspektiven für meine berufliche Zukunft.

Ausserhalb des Sunedörflis werde ich oft mit Versuchungen konfrontiert, gerade beim Einkaufen. Am Anfang meiner Rehabilitation fiel es mir oft schwer, am Bierregal vorbeizugehen. Zu gross war die Versuchung, zuzugreifen. Einmal griff ich zu einer Dose Bier und erlitt einen Rückfall. Dieses Ereignis hinterliess das schlechte Gefühl, mich selbst und das Sunedörfli enttäuscht zu haben. Deshalb fasste ich den Entschluss, diesen Versuchungen künftig zu widerstehen, was mir heute dank meiner Fortschritte immer besser gelingt.

Neben meinem Praktikum engagiere ich mich in der Suchtprävention. Regelmässig halte ich zusammen mit unserem Seelsorger Joseph Keutgens Referate. Vor Schulklassen und Konfirmandengruppen berichte ich über meinen Weg aus der Drogensucht und stelle das Sozialwerk Pfarrer Sieber vor. Es liegt mir am Herzen, den Kindern und Jugendlichen von meinen Erfahrungen etwas mit auf den Weg zu geben. Ich möchte ihnen zeigen, wie wichtig es ist, eine gute Ausbildung anzustreben und auf ein positives Umfeld zu achten.

Der Rückhalt im Sunedörfli, meine Ausbildung und meine Referatstätigkeiten haben mir eine neue Perspektive gegeben. Heute weiss ich, dass es sich lohnt, für sich selbst und seine Ziele zu kämpfen. Und ich bin dankbar für die Menschen, die mir auf meinem Weg geholfen haben.» 

• aufgezeichnet von Michael Rohrbach, freier Mitarbeiter