Vom Obdachlosen zum Hüttenwart
Nach zwei schwierigen Jahren der Obdachlosigkeit fand Sven eine neue Liebe, eine Stelle und eine Wohnung. Aus Dankbarkeit engagiert er sich als Freiwilliger im Pfuusbus.
«Oft werde ich gefragt, warum Menschen im Pfuusbus übernachten. Was suchen sie und was finden sie an diesem einfach eingerichteten, durchaus gastlichen Ort, den wir jeweils für die Wintermonate auf dem Kiesplatz oberhalb des Strassenverkehrsamts in Zürich einrichten?
Sven treffe ich im Pfuusbus. Dort hatte er mir bereits vor drei Jahren Einblick in sein Leben gewährt. Bloss war er damals nach einem Stellenverlust, dem Zerbrechen seiner Familie und einer niederschmetternden Krankheitsdiagnose obdachlos. Jetzt ist Sven Hüttenwart, also Teamleiter für den Betrieb während einer Nacht. Und er ist gesund, hat eine Arbeit und eine Wohnung. Eine erstaunliche Wende. Der Innerschweizer ist kein Mann der grossen Worte. Er spricht bedächtig, wählt seine Worte sorgfältig. «Wenn ich in meiner Lebenskrise in Alkohol und Drogen abgesunken wäre, hätte ich es nicht geschafft», ist er überzeugt. Der Umschwung in seinem Leben kam vor einem Jahr. Damals fand der ehemalige Strassenbau-Polier nach langer Suche und dank der Unterstützung durchs RAV eine 80 %-Arbeitsintegrationsstelle bei den Sozialen Betrieben der Stadt Zürich. Es war der Durchbruch. Erst dank des fixen Einkommens hatte er auf dem Wohnungsmarkt eine Chance. Es dauerte aber nochmals mehrere Monate, bis er eine Anderthalb-Zimmer-Wohnung in einer Abbruchliegenschaft fand. Dort lebt er nun zusammen mit seiner Freundin.
Die beiden hatten sich vor zwei Jahren kennen und lieben gelernt – im Pfuusbus. Auch Zuzana war damals obdachlos. «Wir spürten beide, dass wir einander mehr bedeuten, als bloss Leidensgenossen zu sein», erinnert sich Sven. Zuzana selbst steht nicht gerne im Fokus. Sie will auch in diesem Beitrag lieber im Hintergrund bleiben. Es ist selten, dass zwei vom Schicksal gebeutelte Menschen einander nicht nach unten ziehen, sondern sich gegenseitig stärken. Sven und Zuzana scheint es zu gelingen. Während sich Zuzana um den Haushalt kümmert und einkauft, fährt Sven an vier Wochentagen zur Arbeit. Und in Nächten vor einem freien Tag leistet er als Freiwilliger Hüttenwartdienste im Pfuusbus. «Ich will Obdachlosen etwas von dem weitergeben, was ich damals von den Pfuusbus-Betreuern an Freundlichkeit und Fürsorge bekommen habe», sagt Sven. Und wie gut ein offenes Ohr, eine freundliche Geste und ein ermutigendes Wort da tun.
Auch wenn die Zeit im Pfuusbus zum Glück meistens ruhig verläuft, gibt es doch bisweilen Situationen, die anspruchsvoll sind: Gäste geraten aneinander, lärmen oder pöbeln. Sven bringt dies nicht aus der Ruhe. «Ich fühle mich sicher, und im Notfall kommt mir meine militärische Nahkampfausbildung zugute.» Einsetzen musste er sie bisher aber nicht. Einige Gäste kennt Sven noch von seiner Gassenzeit her. Sie erhalten keine Bevorzugung. Entsprechenden Erwartungen hat er gleich von Anfang an in seiner ruhigen und klaren Art eine Absage erteilt. Damit verschaffte er sich Respekt. Heute ist seine Position unbestritten. Und Sven eine wichtige Stütze im Pfuusbusbetrieb.
• Walter von Arburg, Kommunikationsbeauftragter